Das freundliche Rehlein

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Das freundliche Rehlein

Das freundliche Rehlein

Es war einmal ein kleines Rehkitz, das seiner Nase und seiner inneren Stimme folgte. Dieses Rehkitz liebte es den Wald zu erkunden der so voll war von bezaubernden Eindrücken und Wundern. 

Eines Tages, als es beinahe dunkel wurde, legte seine Mama sich ins Gras und bat das junge Kitz sich zu ihr zu legen. Und Mama Reh begann eine wunderbare Geschichte von tausend Abenteuern, wilden Ritten und einer Gefahr, die so groß war wie keine andere. Aber sie sprach auch von der Erlösung, der Rettung und deshalb hörte das junge Reh gut zu.

Einst, als die Erde noch völlig in der Lichtwelt war, da sprangen Rehe frei und freudvoll durch die Wälder und Wiesen. Erst als die große Trennung begann, wurden auch die Rehe Teil eines Kreislaufs, der sie als Futter und Nahrung vorsah. Doch wie jedes Tier wussten auch die Rehe, dass ihr Platz in diesem Leben nicht ausschließlich darin bestand Nahrung zu sein. Und sie wussten auch, dass sie nicht für immer Nahrungsspender sein müssten. Denn, so hofften sie, eines Tages würden die Menschen die Seelen verstehen,  und damit auch die Macht besitzen, das Gute in der Welt Wirklichkeit werden zu lassen  

Dereinst waren die Rehe die freundlichsten Geschöpfe im Wald – und sie sind es auch heute noch. Die Rehe, so sanft und gutmütig, bezwingen alles und setzen ihre scharfen Hufe nur dann ein, wenn sie sonst aus einer ausweglosen Situation nicht fliehen könnten. Sie schlagen nicht zu, sie strampeln sich frei. Doch Du willst nicht hinter oder in der Nähe eines schreckhaften Rehs stehen, denn der Impuls sich frei zu strampeln wiegt stärker als der Schutz eines Menschen.

Und weil die Rehe so freundliche Geschöpfe waren, kam Mutter Erde zu ihnen um sie um Hilfe zu bitten. Sie versammelte ihre Rehfreunde um sich und wartet, bis jedes Tier ihr lauschte. Jene, die nicht dabei sein konnten, hörten Mutter Natur trotzdem. Sie verstand es mit jedem ihrer Geschöpfe zu sprechen, ganz gleich wo auf der Welt es sich befand. Und daher hörten auch alle ihre Worte: 

„Liebe Rehkinder, meine edlen Geschöpfe. Angesichts der drohenden Veränderung bitte ich euch, mir beizustehen. Die Zweibeiner werden sich furchtbar in eine Sackgasse manövrieren und sich sehr, sehr vielen Gefahren ausgesetzt sehen. Es wird eine Zeit kommen, wo die einen die anderen zerstören, unterdrücken ja wo sie fürchten, dass Menschlichkeit wertlos sei!“ Ein Raunen ging durch die Menge. Denn eines wussten sie, die Rehe. Auch wenn die Menschen sehr schwierig waren, so hatten sie doch einen guten Kern. Ein schönes Herz und einen wunderbaren Auftrag, den viele von ihnen auch erfüllen wollten. 

„Ja, die. Menschen werden sich für viele Zeiten von den Tieren abkehren, sie grausam behandeln und sie sich zu nutze machen. Nur langsam wird der Respekt vor allem, was ist, wieder eintreten. Sie werden vergessen, dass alles, was sie umgibt, beseelt ist.“ Nun hörte man nichts mehr im Wald. Alle hielten den Atem an, es war mucksmäuschenstill. 

„Aber warum?“ fragte ein kleines Rehjunges. Es hatte es vor lauter Spannung nicht mehr ausgehalten und die Frage war einfach so aus ihm herausgeplatzt.

Mutter Erde lächelte freundlich. „Weil es Teil ihrer Reise ist. Wir alle hoffen, dass sich ausreichend viele ausreichend schnell besinnen. Denn es gibt einen Zeitpunkt, wo das Schicksal nicht mehr aufgehalten werden kann.“ Jedes Tier, jeder Baum kannte die Folgen dieser Brüche: Welten verschwanden, Wasser stiegen hoch oder Feuer wüteten, manchmal fiel der Himmel auf die Erde herab. Vieles wurde dann zerstört, doch in den Trümmern entstand neues Leben. Wie der Feuervogel Phönix erhob es sich wieder und immer wieder. 

Das kleine Rehlein erschauderte. „Hm, das klingt aber nicht rosig. Wie kann man ihnen den helfen?“ Und Mutter Erde wusste, dass es gut werden würde. Denn solange es die Freundlichkeit der Rehe in dieser Welt gab, würde jedes Monster besiegbar sein. Nichts war so mächtig wie das liebevolle Reh.  

„Liebes Rehlein, sorge Dich nicht. Was auch immer geschieht, geschieht weil es geschehen soll. Du kannst Deinen Beitrag leisten, und der Rest lieg tin Gottes Händen.“ Das Rehlein lauschte mit gespitzten Ohren, denn es wollte seinen Beitrag sehr, sehr gut machen.  

„Freundlichkeit ist der Schlüssel für den Erfolg. Wenn es ausreichend Menschen gibt, die es in ihrem Herzen haben auch dem schlimmsten Monster gütig zu begegnen, desto eher werden sie gewinnen.“

Das kleine Rehlein verstand. Es war mit seiner Freundlichkeit schon sehr, sehr weit gekommen. Es hatte gefürchtete Monster in nichts verwandelt, einfach mit dem reinen Blick seiner Seele. Und es hatte gewusst, wann es freundlicher war, nichts zu sagen, weil jeder auf seine Weise lernte. Und es hatte gelernt, zu sich selber freundlich zu sein. Denn auch das war entscheidend, wenn man im Leben nicht untergehen wollte. 

Und so fuhr Mutter Erde fort: „In den Jahren, wenn die Einhörner langsam wieder kommen und in den dunkelsten Ecken dieses Planeten Kindern Hoffnung, Heilung schenken, wird der Weg geebnet für eine kriegerische Zeit. Diese Zeit wird getragen von Leid, Zerrüttung, Furcht, Angst, Chaos. Es wird brennen, es wird Menschen geben, die sich Gott überlegen glauben. Und es werden die Kinder sein, die der Machtgier weniger schutzlos ausgeliefert sind. Doch auch diese Kinder haben all die Anlagen der neuen Zeit in sich, so gibt es auch für sie Hoffnung. Was es braucht, ist die Stärkung dessen, was ihr. Kern ist. Diese Essenz, diese Wahrheit kann ein Kind auf viele Weisen entdecken:durch die liebevollen Augen seiner Eltern, durch die Hingabe und bedingungslose Akzeptanz eines Pferdes, durch die unglaubliche Freundlichkeit des Rehes und die schiere Macht der Drachen und Einhörner. Die Macht der Kinder der neuen Zeit.

Jeder von euch kann einem Kind Geleit geben, in seinen Träumen erscheinen, im Wald mit ihm reden.“

„Und was geschah dann, Mama?“ „Dann, liebes Kind, geschah folgendes: ich habe diese Geschichte von meiner Oma gehört, die sie von ihrer Oma gehört hat, die sie vor langer Zeit von jemanden erzählt bekam, der damals im Gespräch mit Mutter Erde dabei war. Und heute erzähle ich sie Dir. Denn der Moment ist gekommen, da wir unsere Stärke teilen sollen.“

Und so begab sich das kleine Rehkitz von nun an auf Traumreise, wann immer es konnte. Es achtete sehr wohl darauf, sich selber genügen Raum und Energie zu geben. Doch mehr als es brauchte, nahm es nicht. Alles weitere stellte es den Kindern zur Verfügung. 

Denn die Kinder, so wusste es, waren die Freiheit. Das erste Tor zu den Generationen der Zukunft. 

Das Rehlein hatte sich einen besonders miesepetrigen Jungen ausgesucht. Einen, der nurmehr an Computerspiele dachte, davon träumte, sich selber durch implantierte Chips zu verbessern oder seine Informationen aus einer Wolke zu bekommen, anstatt selber etwas zu lernen. Er dachte zuerst, er sei in einem Computerspiel. Doch nach einigen Monaten merkte er, dass es Träume waren. Und nach einigen weiteren Monaten wurde ihm bewusst, dass diese Träume ihn veränderten. Die Computerspiele, in denen er eine andere Identität annahm, taten ihm weh. Seine Freunde, die er im echten Leben gar nicht kannte, machten ihm Angst. 

Eines Tages fand er sich sogar draußen im garten wieder, obwohl er gar nicht wusste, wie er dort hingekommen war. Als er aufsah, sah er ein Rehlein am Waldrand stehen. Und er lächelte. Das erste freundliche Lächeln seit Jahren. 

Und er wusste nun mit einer Sicherheit, die ihm niemand nehmen konnte, dass auch er freundlich war, ein Teil der Natur und dass das alles war, was zählte. Und so wurde er jeden Tag freundlicher: zu sich, zu anderen. Und wenn die gemein wurden, ging er weg. Oder dachte an das Rehlein und bat es um Hilfe. 

Und die Moral von der Geschicht‘: die mutigsten Wesen dieser Welt sind jene, die trotz aller Fürchterlichkeit ein frohes Herz bewahren. Die Kinder, die immer wieder lachen, die spielen, selbst wenn alles verloren scheint. Und Du, wenn Du im Garten spielst und Dich an der Natur erfreust. 

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