HERZ STATT STARRE

Wie man Veränderung anmutig meistert (pdf)

Als ich nach sechs Monate von meinem Austauschstudium in Italien zurückkam, einem Land, wo Umarmungen Norm waren und die Wärme nicht nur von der Sonne kam, sondern von den Menschen, ihren Herzen, ihrer Freundlichkeit, fror ich. Mitten im Hochsommer war mir dauernd kalt. Eine Art Starre überfiel mich. Hier sind die Erkenntnisse und die Hilfen aus der Zeit, von meinem Herzen für Deines. 

Schritt 1: Erkenne, dass die Wasser sich geändert haben

Schock ist nicht förderlich, wenn man wieder warm werden will. Während der Kopf, und einige wohlmeinende Menschen um uns nicht müde werden zu sagen, man soll darüber hinwegkommen, kann das Herz etwas anderes wollen. Und es wird nicht auf Logik hören. Die Rückkehr war für mich ein Schock, und ich hatte das nicht erwartet. Ich hatte den Kulturschock erwartet, als ich in Alessandria, Italien, angekommen bin. Aber bei der Rückkehr in mein Land? Ich kannte dieses Land, es war mir vertraut und auch die Menschen darin. Es ist, was ich kannte. Gewohnt war. Und doch auch nicht. 

Wenn sich der eigene Horizont verändert, ausdehnt, dann sehen wir Dinge in einem anderen Licht. Und manchmal fällt Licht auf Dinge, die wir davor geflissentlich ignoriert, übersehen haben. Dinge hatten sich verändert. Ich hatte mich verändert. Als mir das klar wurde, war der erste Schritt getan. Als ich die Situation akzeptierte, löste sich die eiskalte Faust namens Schock, die mein Herz umklammert hatte. Und ich konnte frei atmen.  

Schritt 2: Analyse

Würde ich mich selber als logikorientiert bezeichnen? Vielleicht. Oder als organisiert und prozessorientiert? Ganz bestimmt. Also machte ich Inventur. Menschen sind mit dem Bestand aufnehmen vertraut. Wir inventarisieren dauernd etwas: bevor wir einkaufen fahren, sehen wir in den Vorratsraum, den Kühlschrank, und denken an die hungrigen Mäuler, die wir füttern sollen. Bei der Arbeit nehmen wir uns Zeit, um abgeschlossene Projekte zu ‘reviewen’ und  prüfen, welche Ressourcen zur Verfügung stehen. Sogar Kindern machen das: sie prüfen, was da ist und beginnen dann etwas zu kreieren: einen SUV aus Bauklötzen, Haus und Herd aus drei Zweigen, oder eine Mondrakete aus nichts. 

So habe ich auch Inventur gemacht: was mochte ich so an Italien? Was vermisste ich hier wie dort? Was hatte ich jetzt noch nicht? Noch. Das Zauberwort mit umwerfender Macht. 

Inventur zu machen ist ein bißchen so wie alles vorzubereiten, was man braucht: die Ressourcen für den Start eines Projektes (oder einer Mondrakete), die Zutaten für ein Gericht, Ziegel und Zement für den Bau eines Hauses. 

Als ich alles zusammen hatte, habe ich etwas kreiert. Etwas Schönes. 

Schritt 3: Die Vision = Hoffnung

Ohne Hoffnung geht man nirgendwo hin. Man findet den Antrieb nicht, die Energie, die Freude. Natürlich fand ich die Energie morgens aufzustehen, die Arbeit zu erledigen. Aber wir können das nicht dauerhaft aufrecht erhalten. Wenn wir es doch tun, fühlen Burnout oder Depression sich eingeladen, willkommen. Sie nutzen den freien Raum. Es ist der Raum, der frei wird, leer bleibt, wenn wir keine Vision, keine Hoffnung haben. Dort zieht der dunkle Zwilling der Hoffnung ein: Verzweiflung. Sein Symptom: Verleugnung, Selbsttäuschung, ‘Ich schaff das schon, es passt eh alles.’

Eine Vision zu kreieren kann taff sein. Wie soll man das tun, wenn man glaubt, dass man es sowieso nicht schafft, bekommt? Keine Hoffnung hat, unsicher ist?

Aus meiner persönlichen Erfahrung mit Verzweiflung kann ich sagen: in uns allen ist ein Licht. Ein kleines Fünkchen, das sehr viel größer werden kann. Als ich es zum ersten Mal spürte, war es so winzig wie ein Diamantsplitter. Das reicht aus, reicht aus das Herz zu entfachen. 

Das Herz folgt der Logik des Verstandes nicht. Der Kopf sagt: das ist unmöglich. Alle Wahrscheinlichkeit, alle Erfahrung, spricht dagegen. Das kannst Du nie haben.

Die besten Freunde des Verstandes sind der Kritiker, die Erfahrung und der Rechtmacher. Ich habe zur Unehre dieser Gäste mehr als eine Party gegeben. 

Für Hoffnung wendet man sich besser an das Herz. Oder das Bauchgefühl. Das ist dasselbe. Wenn das Leben dich in die eiskalten Wasser der noch nie da gewesenen Erfahrung wirft, dann hilft es nicht, wenn der Verstand ruft: schwimm! Es geht nicht, wenn der Körper kältestarr ist schwimmt man nicht. Es sei denn, man hat einen richtig guten Grund. Einen Grund der stark genug ist, die Starre aus Angst, Erfahrung und Logik zu durchbrechen.  

Aber wenn das Herz losfeuert, spürst Du die Wärme, den Boost. Das ist nicht Überleben. Es ist Leben, die Verbindung mit allem und die Sicherheit einen Auftrag zu haben, den es zu erfüllen gilt. Wertvoll zu sein. 

Willkommen im Fluß des Lebens.  

Schritt 4: Rituale

Rituale helfen. Forschung zum Thema Trauma und Resilienz zeigt klar, dass Rituale Grundpfeiler für Genesung und Stabilität sind. So lange dabei auch Platz für Flexibilität bleibt. Sonst werden Rituale einengend. Für Kinder sind Rituale wie Schlafenszeit oder Vorlesezeit wohltuend. Mein wichtigstes Ritual ist Weihnachten. Ich kaufe pinkfarbenen Champagner, ich liebe es die Geschenke für meine Liebsten schön zu verpacken, das Menü zu planen. Für mich ist Weihnachten Friede, Freude, Liebe. Zu den Ritualen, die ich auch hilfreich fand, zählen ein Bad zu nehmen, eine Kerze anzuzünden, spazieren zu gehen, etwas Neues zu lernen. 

Während dieser fordernden Zeit fühlte ich mich tagsüber oft so, als wäre ich in ein neues Haus gezogen. Man muss dann für all die vertrauten Dinge einen neuen Platz finden—Freunde, Uni, Nachbarn und so weiter. Ja, manches musst gehen, aber mein Bereich war größer geworden, daher konnte das meiste der vertrauten, lieb gewonnen Welt bleiben. 

Schritt 5: Erneut verbinden

Etwas zu verlieren, das man liebt, ist nie einfach. War es auch für mich nicht, bis mir zwei Dinge klar geworden sind: 

  1. Erwartungen sind böse und 
  2. Liebe ist wie Energie und kann nicht verloren gehen. 

Bis dahin war meine Vision klar, aber mein Fokus nicht. Ich fühlte mich, als müsste ich warten, bis andere/das Leben/das Universum mir geben, was ich wollte. Gelegenheiten, Liebe – ich erwartete sie. Ganz falsch. Wenn man von anderen zu viel erwartet, erwartet man oft auch zu viel von sich selbst. Als mir das klar wurde, konnte ich es auch ändern.

Und die Erwartungen fielen weg. Und mit ihnen Frustration, Traurigkeit, Mitleid und Wut. 

 Was mir auch half, war die Verbindung zwischen Liebe und einem der grundlegenden Gesetze der Physik herzustellen, dem Energieerhaltungsgrundsatz. Und es schmerzt mich, wenn ich daran denke, dass mein Physikprofessor Recht hatte, als er behauptete, wir würden eines Tages merken, wie wichtig Physik im Alltag ist. Er lehrte uns, dass Energie nicht verloren gehen kann. Und das selbe gilt für die Liebe. Wenn man jemanden wirklich geliebt hat, dann wird diese Liebe nicht aufhören. Erinnerst Du Dich an die letzte Szene aus “Ghost-Nachricht von Sam”? “Die Liebe im Inneren, die nimmt man mit.” Deswegen kann man weitermachen, eine neue Liebe finden, weil es immer Platz für mehr Liebe gibt. Doch verlieren kann man Liebe nicht. 

Schritt 6: Glaube

Niemand kann mir nehmen, was in meinem Geist ist. 

Dr. Edith Eva Eger ‚Ich bin hier‘

Dieses Zitat von Dr. Edith Eva Eger aus ‘Ich bin hier’ bringt es auf den Punkt. Glaube. Hab Vertrauen. Vielleicht ist das der Grund, dass ich Weihnachten so liebe. Es war immer eine Zeit zu der Wunder geschahen. Nicht nur die Geschenke unter dem Baum. Der Zusammenhalt, das Zusammenfinden von Menschen, die sich sonst oft stritten. Dieser besondere Zauber des Augenblicks. Die Hoffnung. Das Versprechen, das sich erfüllte. 

Jetzt eben sehe ich auf eine Nelke. Ich habe für ein Fotoshooting Blumen gekauft und die Nelke war Teil des Strausses. Jetzt, 9 Wochen später, ist sie immer noch da. Ein Wunder. 

Niemand kann die Träume aus deinem Herzen stehlen. Hör auf Dein Herz. Glaube ihm. Schätze es wert. Erzähl Deinem Verstand nichts von Deinen Träumen, und hüte Dich vor den Niedermachern dieser Welt. 

Glaube. Es half Dr. Eger zu überleben, Viktor Adler. Mir weiterzumachen. Und Dein Glaube und Dein Herz werden Dir helfen. 

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MAG. DR. VERENA RADLINGMAYR

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