Vergeben, verzeihen

Man liest immer wieder, dass zu vergeben göttlich sei. Verzeihen sei ein Akt, den man in erster Linie für sich selber macht, nicht für den anderen. Doch ist das wirklich so? WIe vergibt man in einer Zeit, in der Menschen immer sensibler werden? Einer Zeit, in der das Wort oft schwer beladen ist mit Energie, Gefühlen, all dem Umgesagten? Und ist es wirklich notwendig zu verzeihen?

Hinter mir die Sintflut

Was interessiert mich, wie es dem anderen geht, was andere denken? Wenn der Pegel steigt und steigt, Ärger und Groll sich verfestigen und wie Steine in der Magengrube liegen, dann ist es nicht mehr weit zu Gleichgültigkeit und Verdammnis. Dann werden alle Dämme gesprengt und die Wassermassen fluten und zerstören. 

Ein interessantes Bild, wenn es um das Verzeihen geht. Denn Wasser ist immer auch Sinnbild für Emotionen. Die Macht der Emotionen sagt man kann zerstörerisch sein. Die Macht der Emotionen ist es, die Handlungen auslöst, oder jemanden zur Unterlassung anstiftet. Man kann vor Wut alles kurz und klein schlagen, oder aus selbstgerechter Empörung heraus keine Hilfe zulassen. Man kann sich selber so hineinsteigern, dass man sich im Recht wähnt und dann ist jedes Mittel legitim. Denn Recht schafft Gerechtigkeit, oder?

Verbrecher, Sünder, Abschaum

Man schreit gegen die Verbrecher, gegen den Pöbel, gegen jene, die einen verletzten. Wer schreit gewinnt. Die aber, die still leiden, stumm jede Ungerechtigkeit ertragen oder einfach verlernt haben für sich einzustehen, brodeln genauso. Sie kochen im eigenen Saft. Rote Flecken auf der Haut, Probleme mit der Verdauung, der Leber, dem Lachen. 

Oft will man sogar wieder Brücken bauen, sucht nach der Verbindung, die verloren ging. Man hat die Menschen vielleicht sogar im Leben, doch hält sie auf Abstand. Immer ein wenig weg. 

Die Lilie, Symbol des Verzeihens, beruhigt die aufgewühlten Emotionen.

Offene Wunden

Das zeugt von offenen Wunden. Sehr oft sind es doch Menschen aus dem Umfeld – Familie, Freundeskreis – die einen verletzen. Sie wissen, wo die Schwachpunkte sind. Andere haben in 30 Jahren nicht verstanden, dass sie wieder und wieder einen Schwachpunkt berühren. Und sie werden sich nicht ändern. Doch wenn man Abstand braucht, genervt ist, dann ist man ‚über die Sache‘ nicht hinweg. Was auch immer die Sache war, sie verströmt weiter ihr Gift, lässt bittere Galle in den Saft des Lebens rinnen und macht alles wäh (ekelig, abstoßend, bitter).

Offene Wunden zu heilen ist im eigenen Interesse. Doch während es einfach ist, ein Pflaster über eine körperliche Wunder zu kleben oder sie mit Antiseptikum auszuwaschen, gibt es manchmal emotionale Wunden, die man lieber ignoriert. Leugnet. Oder bewusst immer wieder öffnet, um sich an dem Schmerz zu laben, im Recht zu sein.

Luft

Körperliche Wunden heilen am besten, wenn man sie an der Luft lässt. Wer sichden Arm abschürft, tut gut daran die wunde frei zu halten. Den Rest erledigt der Körper, dieses Wunderwerk, ganz von alleine. Eben noch schmerzvoll, bildet sich rasch eine Kruste und schon bald ist alles wieder gut. 

Emotionale Wunden werden insbesondere in Familien oft unter den Teppich gekehrt. Was wirklich verärgert und unglücklich macht, ist nicht nur die Wunde selbst, sondern die Tatsache, dass man sie nicht haben sollte. 

  • Stell Dich nicht so an
  • was Du immer hast

Oft wird einfach so getan, als hätte es den Schmerz nicht gegeben. Der Haken an der Sache ist einfach erklärt: Emotionen, so intensiv sie auch sein mögen, folgen keiner Logik. Sie sind einfach. So wie Regen, Hagel, Gewitter. Emotionen sind auch kein Dauerzustand. Sie sind wie Wellen im Ozean und folgen einem simplen, ewig gleichen Rhythmus: entstehen – anschwellen – vergehen.  Erst wenn man sie nicht haben darf, werden sie zum Problem. 

Germteig

Emotionen sind wie Germteig: wenn man sie abdeckt, gehen sie auf. 

Verena Radlingmayr, www.verenaradlingmayr.com

Wird man vielleicht noch ausgelacht, gehänselt oder ausgeschlossen, dann gehen diese Emotionen mehr und mehr auf und werden zu komplexen Gefühlen. Dann gibt es Emotionalität auf Dauerschleife und die ist für niemanden mehr nett, akzeptabel, gut. 

Und diese Dauerschleife, diesen gordischen Knoten schier unlösbarer emotionaler Verstrickungen, vermag nur eine Macht der welt zu lösen: das Verzeihen.

Verzeihen – Vergebung

Verzeihung! Das kann ein Mann sagen, der eine Frau im Supermarkt anrempelt. Er lüftet den Hut, sagt das Wort, und alles ist gut. Verzeihen kann man vieles, aber nicht alles. Vergebung kann jeder erlangen, auch der, der etwas Unverzeihliches getan hat. 

Es gibt tatsächlich Taten, die unverzeihlich sind. Ehen scheitern manchmal daran. Dann gibt es Taten, die eine Sünde sind (nicht im kirchlichen Sinn): Kindesmißbrauch zum Beispiel. Für viele unverzeihlich und auch nicht zu vergeben.

In allen anderen Fällen kann es Sinn machen, sehr sehr tief zu gehen und tatsächlich zu vergeben. 

Vergebung

Vergebung ist eine so ungeahnte Macht. Hätte ich früher gewusst, wie schön sie ist, wie gut sie mir tut, ich hätte viel eher vergeben. Man gibt sich damit so viel. 

Doch wie geht vergeben?

Man beginnt am besten vor der eigenen Türe zu kehren. Wenn man sich das eigene Leben so ansieht, dann hat man sicher das eine oder andere mächtig verbockt. Man hat jemanden verraten, verletzt, beleidigt. Vielleicht hat man dabei sogar sich selber weh getan, weil man sie jetzt nicht mehr in den Spiegel sehen kann. Doch wenn man ganz tief und sehr genau hinsieht, dann wird man vielleicht auch feststellen, dass man in dem Moment sein Bestes gegeben hat. Egal wie mau es auch war. Man hat gewusst, dass es ein Fehler war, und es aus irgendwelchen Gründen trotzdem getan.

Oder etwas ist einem so rausgerutscht und hat den anderen wild verletzt. Oder man hat etwas gesagt und erst am Gesicht des anderen erkannt, dass es ihn verletzt hat. Und oft ist es Menschen gar nicht bewusst, wie weh sie einem getan haben.

Insbesondere in der jetzigen Zeit, in der die echte Empathie und teilweise auch die Telepathie bei Menschen zunehmen, verletzen Worte so viel mehr, als sie das früher taten. Früher waren Beziehungen robuster, hielten Menschen und Kinder mehr aus. Doch jetzt ist eine Generation Erwachsener am Ruder, deren Feinfühligkeit von ihren Eltern nicht erkannt werden konnte. Die mögen anständige Menschen sein, doch sie haben nicht die Fähigkeiten, die ihre Kinder haben. 

Und selbst wenn all das nicht zutrifft, ist Vergebung Balsam für die Seele. Man kann in voller Vergebung endlich das Abschließen, was einen quält. Man kann sich reinwaschen, seinen Anteil an dem Desaster als erledigt zu den Akten legen. 

Als ich es endlich in mir fand zu vergeben, da wurde alles besser. Sogar die Beziehung zu der Person hat sch geändert, ohne dass ich je ein Wort gesagt hätte. Vergebung, sagt man, ist göttlich. Vergebung sagt man, ist etwas das man für sich tut. Vergebung, finde ich, ist ein Gottesgeschenk. Es entsteht durch die Bereitschaft den Fehler zu sehen, die Menschlichkeit zu sehen und das Beste im anderen anzuerkennen. Und fällt in tausendfacher Intensität auf einen selbst zurück. 

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